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#Ideenbild im November 2016 – Fernweh ins Grauen

Das Projekt #Ideenbild wird von Lexy durchgeführt. Hier wird monatlich ein Bild gezeigt und damit die Kreativität angekurbelt. Es gibt keine zeitliche Begrenzung. Mitmachen wenn was einfällt.2016-november-ideenbild

Endlich war es so weit. Das Fernweh hatte uns ereilt. Wir hatten einige Dokus auf YouTube (myhomeismycar + Wir sind Veg)uns angeschaut und uns fit gemacht und wollten mit einem Wohnmobil oder umgebauten 7,5 Tonner durch die Welt fahren. Im Endeffekt entschlossen wir uns für einen umgebauten 7,5 Tonner. Es war einfach geräumiger. Wir haben viel selbst gemacht und auch einen kleinen Kohleofen installiert. Denn wir wollten eigentlich das ganze Jahr unterwegs sein.

Die Konten waren geplündert der Lkw eingerichtet die Hunde gechipt und geimpft. Nichts stand uns mehr im weg. Wir machten einen auf Aussteiger. Die ersten Tage waren echt entspannend. Wir waren gut drauf und hatten Vorfreude im Gepäck. Wohin wir fuhren hatten wir im Vorfeld nicht festgelegt. Wir wollten uns treiben lassen. Die Hunde waren absolut perfekte Reisegefährten. Sie bellten wenn einer an dem LKW kratzte und waren ruhig, wenn es nötig war. Perfekt. Besser als zu Hause.

Wir starteten im Sommer. Also konnten wir auch gemütlich unsere Ziel in den Norden verlegen. Eventuell über Dänemark, Schweden, Norwegen, Finland nach Russland. Das sollte unsere erste Strecke werden.

Es war Wahnsinn. Noch nie war Fahren so intensiv. Wir fuhren und lebten in dem LKW. Keiner hetzte uns und wir genossen diese Zeit. Landschaftlich war es einfach unbeschreiblich. Wie sich sie Vegetation änderte selbst innerhalb Deutschlands. Einfach toll. Als wir die Grenze zu Dänemark überquerten waren wir schon ca. drei Tage unterwegs. Wir hatten also unseren umgebauten 7,5er schon richtig testen können und ich glaube ich habe noch nie so gut geschlafen. Sicher durch die Hunde und gemütlich war unser Bett. Wir hatten immer mal paar Hotspots angefahren um Internet zu haben. Es war einfach perfekt.

Wir fuhren dann durch Dänemark und schauten uns einige Sehenswürdigkeiten an. Ebenso hielten wir es in Schweden, Norwegen und Finland. Es war einfach ein berauschendes Gefühl von Freiheit. Von Finland wollten wir dann rüber nach Russland. Und dies ging auch ohne Probleme. Natürlich waren auch die Sehenswürdigkeiten geplant.

Als erstes verschlug es uns nach Sankt Petersburg. Da haben wir uns die berühmten Sehenswürdigkeiten angeschaut, sind schön flaniert und haben gut gegessen. Aber wir wollten nicht in der Stadt schlafen. Gegen Nachmittag setzten wir uns wieder in unseren LKW und fuhren weiter.

Etwa 180 KM südöstlichlich von St Petersburg kamen wir an einen malerischen, richtig dichten Wald. Laut Navi befanden wir uns in der Nähe von Nowgorod. Das hatten wir für den nächsten Tag geplant. Jetzt wollten wir uns erst ein mal gemütlich niederlassen, etwas essen und dann mal sehen. Da der Tag sehr anstrengend und lang war, dachte ich, wir würden noch etwas lesen und dann dabei einschlafen.

So war es dann auch. Bis. Ich weiss nicht was mich weckte. Aber es fühlte sich auf einmal sehr kühl an. Das Außenthermometer zeigte 5°C an. Die normale Temperatur sollte zu dieser Jahreszeit eher 10°C betragen. Aber warum sollten die Russen von diesem Klimachaos verschont bleiben. Zum Glück hatten wir den Holzofen und ich feuerte ihn an. Mein Mann drehte sich paarmal und murmelte etwas aber er schlief weiter. Ich kuschelte mich wieder ins Bett. Keine Stunde später. Der Wecker zeigte 23:30 an, wurden die Hunde unruhig. Ja gut. Im Wald sind halt Wildtiere. Und hier ja noch mehr als bei uns. Gibt es in Russland Bären? Ja bestimmt, aber nicht so nah an der Stadt, hoffte ich. Dieses mal war es mir echt zu unheimlich. Der Ofen bollerte noch und es war trotzdem kühl. Wie kalt müsste es denn sein wenn der Ofen es nicht schaffte den Raum zu wärmen.

Mir stellten sich die Härchen. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass wir in diesem Wald nicht mehr alleine seien. Aber ich war ein richtiger Schisser. Jaja. Horrorfilme gucken und dann in einer echten Situation den Schwanz einziehen. Das sind die Richtigen. Aber so war es. Ich hielt mich gerade noch zurück – aber nur weil mein Mann schlief – laut Pfeifend auf unsere Couch zu gehen um noch etwas zu lesen.

Das Internet ging hier sogar. Ich war erstaunt. Es war nicht bombastisch, aber ich konnte surfen. Und ich schaute mal unsere geplante Route an. Da stiess ich auf einen Bericht – Mjasnoi Bor – der schrecklichste Wald von Russland. Oh je. Ich wette, der Wald in dem wir uns befanden war dieser Wald – das würde so sicher sein wie das Amen in der Kirche.

Ich war entsetzt und irritiert. Was war das jetzt – wir waren in einem Spukwald gelandet. Na toll. Ich hoffte dass der Bericht nur etwas aufgepuscht wurde. Ich weckte mein Mann. Und erzählte ihm was ich raus gefunden hatte. Und er reagierte sofort. Er öffnete die Tür und schloss sie sofort wieder. Die Hunde winselten. Sie hatten wahnsinnige Angst. Und wenn die beiden mal Angst hatten war es ernst.

Ich kramte also mein gesamtes Wissen über Geister heraus. Und es fühlte sich an – wie nichts. Ich wusste nichts. Geister sind gequälte Seelen. Seelen derer, die einen grausamen Tod erfahren hatte. Oder es einfach nicht wahrhaben wollten, dass sie tot waren. Wir waren in unserem eigenen Horrorfilm gefangen. Mitten in Russland in einem Todeswald.

Ich kramte in den Schubladen. Natürlich hatten wir keine Kreuze dabei. Aber wir hatten genügend kleine Hölzer aus denen ich einige Kreuze bastelte. Und hoffte, dass sie auch wirkten. Wirken Kreuze gegen Geister? Wir wussten es nicht.

Ok. wir mussten in die Fahrer Kabine. Wir mussten weg hier. Wir öffneten die Tür, die Hunde an der Leine, schlichen wir durch den Wald nach vorne. Der Wald war nicht wieder zu erkennen. Er war neblig, düster, gefährlich und überall hörten wir Schüsse, Schreie und andere menschliche Geräusche. Schnell stiegen wir ins Führerhaus und schlossen die Tür. Oh mein Gott. Ich war nass geschwitzt.

Ich wusste nie etwas mit Angstschweis anzufangen. Aber jetzt wusste ich es. Es waren etwa 0°C und ich schwitzte. Mein Mann wollte das Auto starten und – nichts. Oh weh. Wieder ein Horrorfilmklischee. Fehlt nur noch die ausgehenden Taschenlampe. Die würde auch noch kommen.

Wir waren gefangen in dem Führerhäuschen. Und wir betrachteten eine skurile Szene. Es war eine Kampfszene. Es fielen Schüsse. Und es wurden Männer erstochen. Und dann – die Szene stoppte – die Geister sahen zu uns und es war, als wäre die Hölle entfesselt worden.

Die Geister stürmten auf uns zu. Ich hoffte, sie wären nicht so materialisiert um uns zu verletzen. Aber da hatte ich wohl zu früh gehofft. Sie schafften es durch die Türen und Fenster einzudringen. Sie hatten Messer und stachen auf uns ein. Uns blieb nichts anderes übrig als auszusteigen und zu rennen. Die Hunde löste ich von den Leinen und hoffte, sie würden uns finden. Und wir nahmen die Beine in die Hände und rannten. Mit der Taschenlampe, die bestimmt bald ausgehen würde.

Ich weiss nicht wo wir waren. Wo unser Auto war und wo mein Mann war. Ich war auf einmal alleine. Und um mich herum waren ständig die Kampfgeräusche.

Ich hörte Schreie. War das mein Mann? Ich hoffte es ginge ihm gut. Die Hunde würden das schon schaffen. Aber wir auch? Ich war mir nicht sicher. Und dann fühlte ich sie. Ich sah sie noch nicht aber sie waren präsent. Ich fühlte die Kälte auf meiner Haut und ich hatte das Gefühl sie würden durch mich durch gleiten. Dann fingen sie an an mir zu zerren. Die Haare, an den Armen und Kleidern. Auf meinen Armen erschienen blutige Striemen und ich versuchte sie abzuwimmeln. Aber wimmelt mal unsichtbare Gegner ab. Das war ein Kampf gegen Windmühlen. Aber ich schaffte es irgendwie mich zu befreien. Und ich rannte, stürzte, stand auf und rannte.

Ständig die gruseligen Geräusche hinter mir und vor mir Kampfszenen, die aprupt aufhörten, als ich mich näherte. Es war als würden die Geister mein Leben aussaugen wollen um selbst wieder zu leben. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Ich brach zusammen. Aber ich sah ein Gatter. Dorthin wollte ich mich noch schleppen. Ich spürte sie und sie stachen ständig auf mich ein. Ich wurde immer schwächer. Aber dann hatte ich das Gatter erreicht. Ich konnte mich durch die Streben quetschen.

Als ich mich umsah, merkte ich, dass ich auf einem Friedhof gelandet war. Oh nein. Hoffentlich kämen jetzt keine Zombies aus den Gräbern. Aber selbst wenn – ich hätte mich nicht mehr wehren können. Ich war am Ende. Ich blutete aus unzähligen Schnitten. Und die Schmerzen konnte ich nicht mehr lokalisieren. Aber dieser heilige Ort schien sie abzuhalten. Irgendwann musste ich ohnmächtig geworden sein.

Als ich wieder wach wurde, war es hell und die Geister waren weg. Ich stand auf und versuchte mich zu bewegen. Unter Angstzuständen versuchte ich den Weg zum LKW zu finden. Nach einigen Suchen fand ich ihn tatsächlich. Das hätte ich nie gedacht. Ich öffnete die Tür und liess mich in den Container fallen. Irgendwann hörte ich die Hunde. Sie bellten. Schnell stand ich auf um sie herein zu lassen. Aber sie sahen auch erbärmlich aus. Anscheinend wurden sie ebenfalls von den Geistern attakiert. Die armen waren so verängstigt. Sie verkrochen sich sofort unter das Bett.

Ich hoffte mein Mann würde auch noch auftauchen und ich betete darum. Ich betete um sein Leben. Nach einiger Zeit fingen die Hunde an zu fiepsen. Ich war sofort auf Hab-Acht. Ich wollte nicht öffnen. Aber es könnte ja mein Mann sein. Also sammelte ich meinen restlichen Mut und öffnete.

Da stand er. Verdreckt, blutend und furchtbar zerschrammt. Aber er war da. Ich schloss ihn in die Arme und wir verkrochen uns nach innen. Wir leckten unsere Wunden. Erstmal duschten wir und verarzteten uns. Die Schnitte sahen böse aus und waren auch verdammt tief. Aber wir waren so kaputt, dass sie nicht mal weh taten. Das würde bestimmt noch kommen wenn wir wieder von dem bösen Trip herunter kommen würden.

Schnell stiegen wir in das Führerhaus und fuhren aus dem Wald heraus. Uns war erstmal die Lust an der Weltreise vergangen. Wir wollten nur heim. Also suchten wir die schnellste Route nach Hause. Der kürzeste Weg führte jetzt hier durch Polen. Wir fuhren wir betäubt. Und irgendwann kamen wir an die Deutsche Grenze. Aber wir konnten dieses Land nicht verlassen. Denn vor uns war nur Wasser. Und ein Schild wies darauf hin, dass abbrechende Steilufer das Betreten zu einer Gefahr werden ließen.

Wir waren gefangen und es wurde dunkel. Und als es dunkel wurden sah ich das Ufer durch meinen Mann scheinen. Die Hunde schimmerten auch nur noch und ich konnte durch meine Hände durchsehen. Die Welt der Lebenden war uns verschlossen.